Vanillekipferl – kein Rezept, sondern „achtsame Beiläufigkeit“

Natürlich haben wir heute Weihnachtsplätzchen gebacken. Umso lieber, weil der Zweitklässler nun auch in Quarantäne ist.

Aber Rezepteaustausch ist nicht so mein Ding. Und das Ganze als nettes DIY-Ding auf Instagram aufgehübscht zu präsentieren? Nee. Nicht wirklich. Das können andere besser. Und dürfen das auch gerne.

Meine Fragestellung ist eine andere: Was kann man in der Weihnachtsbäckerei ganz beiläufig an schulrelevantem Lernen unterbringen? So einiges. Und ohne Aufwand. Sofern man sich die Mühe macht, das Kind machen zu lassen. Und aufmerksam ist. Neudeutsch wohl: Achtsamkeit. Nennen wir es also „achtsame Beiläufigkeit“. Los damit.

Der Wunsch zum Backen muss vom Kinde kommen. Eine aufoktroyierte Idee seitens der Eltern bringt gar nichts.

Als erstes lassen wir chefkoch.de beiseite und greifen uns sein Rezeptbuch aus Kindergartenzeiten. Hatte er uns Eltern letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Wertschätzung. Auch wenn es darauf ankommt.

Vorlesen muss der Zweitklässler schon, was wir brauchen. Das Rezept hat teils handschriftliche Anmerkungen (wohl der damaligen Erzieherin), auch gut. Diesen Teil des Rezeptes, muss man also lesen können (versuchen). Geht ohne Murren. Und wir als deutsch-spanische Familie wissen um die Schwierigkeiten des Schreibschriftlesens. Die meisten Lernmaterialien der Kleinen in Spanien sind erstaunlicherweise in Schreibschrift. Das lehnen unser Kinder rundweg ab. Aber klar, wenn am Ende Vanillekipferl rauskommen. Wer kann da schon nein sagen.

Plötzlich eine Bruchzahl. Ein ½ Teelöffel Salz. Zeit für einen Ausflug in die Mathematik: Ganzer Teelöffel, halber Teelöffel mit Salz. Kann man ja gut vorführen. Das macht Sinn, bestätigt der junge Weihnachtsbäcker. Und warum diese komische Schreibart für einen Bruch? Naja, das steht halt für ‚eins geteilt durch zwei‘. Das verstehst Du aber besser, kleiner Mann, wenn ich Dir das berühmte letzte Stück Schokolade vor die Nase halte. Und die Nasen Deiner zwei Brüder auch mitschnüffeln. Das nennt man dann 1/3. Und wird auch so geschrieben. Lesson learned.

Die echte Hürde. Wir brauchen 200 g gemahlene Mandeln. Er will mehr machen. Wir haben aber insgesamt nur 300 g Mandeln da. Gut, denke ich mir. Dem eigenen Papa-Bäuchlein tun so viele Vanillekipferl vielleicht nicht gut. Aber man ist ja opferbereit für die Mathematik. Schreib also auf, wie viel wir dann von allem brauchen. Wie er nun auf das 1,5-Fache kommt, ist sein Ding. Es ergeben sich ca. 10 Minuten Stille und en passant die eingangs abgebildete Neuformulierung des Rezepts. Gut gemacht, kleiner Mann! (Und innerliches Schmunzeln, weil gerade der Siebtklässler just heute eine Mathearbeit zum Dreisatz mit proportionalen und disproportionalen Zuordnungen schreibt, passt. Ist jetzt aber hier kein Thema).

Weiter geht es mit Bachelorniveau in  Transportwesen und Logistik: erst die Butter oder erst das Mehl? Was muss alles wie vorbereitet sein?

Der kleine orthographische Hinweis am Rande, das bei aller Liebe zum Dehnungs-h dies doch nicht hilft, um zwischen gemalten (Bildern) und gemahlenen (Mandeln) zu unterscheiden.

Mal ein Blick auf Physik: Warum ein Rührbesen gerade mit diesem schweren, bröseligen Teig eher schlechter zurechtkommt als der Knethaken. Aha.

Und Chemie: Was denn nun 180 Grad 15 Minuten lang aus dem Butter-Mehl-Mandelgemisch so alles anstellen kann. Nein, keine Strukturformeln. Er würde sonst nie wieder backen.

Am Wichtigsten wie bei allem im Leben: Das Ergebnis. Das ist lecker und gut. Gut gemacht, kleiner Mann.

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