Die Rotoren rauschten schon immer…

oder: Helikoptereltern sind wohl nichts Neues

Eigentlich halte ich mein Nine to Five fein säuberlich getrennt von meinem Five to Nine. Wenn die Arbeitskollegen mal was Lustiges aus der Kinderwelt zu berichten haben, gerne. Wenn mich der Spagat zwischen Krawatte und Kinder multitaskingunfähig macht, ebenso gerne. Aber sonst eher nicht. Im Beruf bin ich dann doch mit anderen Erwachsenen zusammen. Heute musste ich aber nicht nur den Kopf schütteln am Schreibtisch, sondern das Thema auch hier im Vaterblog notieren.

Arbeitstechnisch erreichen mich recht viele Anfragen junger Akademiker per Mail. Freundlich gibt man Auskunft, verweist auf die entsprechenden Informationen im Netz und versucht den jungen Leuten weiterzuhelfen. Und weil ich häufig genug erlebt habe, dass Doktoranden sich leider als Doktoranten bezeichnen und das in einer Bewerbung unabhängig von der fachlichen Qualifikation zu einem knock out führen kann, ergänzte ich heute eine solch freundliche Antwortmail dann doch mit dem Hinweis, dass ein mehrfach auftauchendes „Großbrittanien“ in der Anfrage vielleicht doch künftig anders, also richtig, geschrieben werden sollte. Rums läutete ein paar Stunden später das Telefon.  Eine aufgeregte Frau am anderen Ende der Leitung: Wie ich denn ihre Tochter so herablassend behandeln habe, sie sei in Tränen aufgelöst gewesen und ausserdem kenne sie Chefs von meinem Hause, etc., etc. Ich brauchte erst einmal eine Weile, das Telefonat just mit dieser Mail in Verbindung zu bringen. Konnte aber bei bestem Willen keine strafwürdige Beleidigung in meinem Verhalten feststellen. Was der Mutter dieser Tochter, wohl gut über 20, da sie sich bereits zu Studienzwecken in jenem unbeschreiblichen Land befindet, noch unglaublicher vorkam. Ich verwies dann darauf, dass sie ja meine Chefs nach eigenen Aussagen kenne und sich doch bitte dort dann melden könne…. Nie wieder was davon gehört.

Nun kommt mir ein weiterer Fall in den Sinn, als ich vor Jahren mal ein Beschwerdeschreiben einer jungen Studentin erhielt. Ich griff daraufhin zum Telefonhörer und wollte die Kritikpunkte ausräumen, als mir die junge Dame am Telefon überrascht und für mich erst unglaubwürdig, später aber doch plausibel deutlich machte, nicht sie habe das Beschwerdeschreiben verfasst, sondern womöglich ihre Mutter, im Namen der Tochter.

Ich weiß jetzt nicht, ob das gut oder schlecht ist, Fakt ist aber wohl, dass das mit dem Helikoptern schon immer so war. Hoffentlich machen wir mal nicht die gleichen Fehler…

Nachtrag: Ich hatte diese kleine Begebenheit nun auch im Gespräch mit einer Skandinavistin erwähnt. Sie meinte dazu nur, dass sich im nordischen Raum der Begriff der „curling parents“ dafür eingebürgert habe. Ich gestehe, dass ich bislang dieser Sportart nicht viel abgewinnen konnte. Aber nun scheint es mir Sinn zu machen, mehr noch als das Helikoptern…

14 Kommentare zu „Die Rotoren rauschten schon immer…

  1. Übrigens: In Deutschland „macht“ nichts Sinn, sondern es „hat“ Sinn. Wenn für Sie ein Rechtschreibfehler ein Ausschlusskriterium bei einer Bewerbung ist, dann haben Sie sich mit Ihrer eigenen Formulierung selbst ins Knie geschossen.

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    1. Leider haben Sie es auch nicht richtig verstanden:
      Es heißt: Sinn ergeben, denn dieser kann weder gemacht noch besessen werden.

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  2. Hoffentlich empfehlen Sie Ihren Kontaktpersonen nicht auch die korrekte Schreibweise des Wörtchens „außerdem“.

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    1. Nee, ich bin da bei alter, neuer Rechtschreibung recht liberal, sollte ja jemand die Orthographie-Reform von 2020 schon eingepreist haben, eingefleischter Schweizer sein. Geht alles. Auch bei mir.

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  3. G8 hat damit nichts zu tun. Unsere Tochter hat mit 16 ihr Studium begonnen (und nein, es gab keine gescheiten Alternativen, außer in ein Auslandsschuljahr zu gehen, was nach dem Abi nicht unbedingt attraktiv ist).
    Ihre Professoren kennen wir nicht, in der Uni habe ich noch nie angerufen und sie wohnt von Anfang an alleine in der Unistadt.
    Die Unterschrift auf einer Generalvollmacht (für die Unibelange) reichte, damit sie sich selbst um alles kümmern durfte.
    Geht also – muss man nur wollen!

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  4. Da ein Leserkommentar auf Spiegel Online hierherführt, gibt’s jetzt den ersten Kommentar… Die Rotoren rauschten schon immer, aber ich habe den Eindruck (Abitur 1981), dass das Rauschen zunimmt. Ich bin zwar seit geraumer Zeit ohne „Kundenkontakt“, aber noch immer an der Uni, und die Kolleg/inn/en aus Imma- und Prüfungsamt, Studienberatung und Präsidium bestätigen die Wahrnehmung.

    Und ist „curling parent“ das skandinavische Pendant zur „hockey mom“? Ansonsten verstehe ich die Metapher nicht…

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    1. Gestatten, Abi 1989, und ich kann es auch nicht quantitativ belegen. Aber die vielen Profs, mit denen ich nahezu täglich zu tun habe, führen die gestiegene Elternintervention auf die noch nicht geschäftsfähigen G8-Studierenden zurück. Whatever. Ja, curling mom, soccer dad, hockey parents all the same…

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    2. Du musst Dir den Sport Curling anschauen.
      Ein Spieler schießt eine Art Puc übers Eis. Andere Mitspieler bearbeiten das Eis vor dem Puck weg so, dass er möglichst genau dort zum stehen kommt, wo er eben bleiben soll.
      Die Metapher passt, wie ich finde, sehr gut. Hockey-Moms beschreiben hingegen ein ganz anderes, weniger metaphorisches Phänomen.

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      1. Deswegen liebe ich ja die Metapher. Eifrigst schrubben beide Elternteile jede Unebenheit vom Eis, dass das Pumuckelchen ja unbeschadet seinen Weg findet und dort hinkommt, wo seine Eltern ihn hingeschrubbt haben…

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    3. Beim Curling putzt einer der der Spieler das Eis in der Bahn des Steins mit einem Besen um die Laufrichtung des Steins zu beeinflussen.

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